Einbruch bei gekipptem Fenster – wer zahlt den Schaden?
Ein gekipptes Fenster, ein dreister Einbrecher und die Frage: hat die Kundin ihre Obliegenheit verletzt und war das ausschlaggebend für den Einbruch? Das beschäftigte die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) des Fachverbands der Versicherungsmakler.
Als die Frau gegen Mittag ihr Haus verließ, hatte sie vergessen, einen gekippten Fensterflügel im Erdgeschoß zu schließen. Ein folgenschweres Versehen, denn kurz darauf kam es zu einem Einbruch. Mithilfe einer Gartenbank gelangte der Täter an das Fenster, brach es auf und stieg ins Haus ein. Der 1.700 Euro teure Schaden am Fenster war nur das kleinere Übel – der Dieb erbeutete nämlich Schmuck im Gesamtwert von 28.800 Euro.
Die Versicherung lehnte die Deckung ab – mit Verweis darauf, dass es sich nicht um einen Einbruch im Sinne der Versicherungsbedingungen der Haushaltsversicherung handelte (Art 2, Pkt. 3.1. der HH1). Außerdem habe die Kundin ihre Obliegenheit verletzt, die Räume auch dann zu versperren, wenn sie nur für kurze Zeit verlassen werden.
Versicherungsnehmerin fordert Schadensdeckung
Die Versicherung sollte den Schaden von 30.500 Euro bezahlen – das forderte die Kundin per Antrag an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle. Ihre Begründung: es handelte sich sehr wohl um einen Einbruch, da der Täter versucht hatte, den versperrten Fensterflügel mit einem Schraubenzieher auszuhebeln. Die behauptete Obliegenheitsverletzung sei für den Einbruch nicht kausal gewesen.
Die Versicherung wollte sich nicht am Schlichtungsverfahren beteiligen. Die Schlichtungskommission hat in rechtlicher Hinsicht erwogen, dass die allgemeinen Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen sind, wobei man sich hier am durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer zu orientieren habe.
Kundin müsste beweisen, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben
In diesem Fall sind laut RSS zwei Tatbestände für einen Einbruch erfüllt: „Das Fenster in einer Höhe von rund 2m über dem Gartenniveau ist einerseits eine Öffnung, die nicht zum Eintritt bestimmt ist und stellt in dieser Höhe ein erschwerendes Hindernis dar, zumal der Täter eine Bank als ‚Steighilfe‘ verwenden musste.“ Der Versicherungsnehmerin stehe der Nachweis offen, dass sie die Obliegenheitsverletzung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich begangen hat bzw. dass diese keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles hatte.
Weil sie sich auf ein einmaliges Versehen berufen habe, könne der Frau grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden. Daher empfiehlt die Schlichtungskommission der Versicherung, den Schaden zu decken. Aber: in einem Streitverfahren wäre die Kundin für die Richtigkeit ihrer Behauptungen beweispflichtig. Wäre der Einbruch auch passiert, wenn sie ihre Obliegenheit nicht verletzt hätte? Die Frau behauptet zwar, der Täter hätte den Einbruch auch bei einem nicht gekippten Fenster verübt; ein Vorbringen dazu, dass er beim Einbruch durch das geschlossene Fenster nicht weiter behindert würde, fehle jedoch laut RSS (zu den strengen Anforderungen an den Kausalitätsgegenbeweis vgl RS0081343 ua.).