Der Versicherer lehnt die Rechtsschutzdeckung für einen Passivprozess wegen Vorvertraglichkeit ab. Ob das berechtigt war, hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) zu klären.
Im September 2013 hatte die Erstklägerin eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, wobei der Zweitkläger mitversichert war. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2011) zugrunde, inkludiert ist auch den Baustein „Grundstückseigentum und Miete“.
Nun wurden die Versicherungsnehmer vom Eigentümer einer Liegenschaft in Anspruch genommen. Grund war die titellose Benützung seit Anbeginn bzw. Widerruf des Prekariums (Bittleihe bzw. Gebrauchsüberlassung, Anm. d. Red.). Die Kläger forderten per Klage vom 17. Juni 2015, die Beklagten haben die Wohnung samt Gartenfläche und einer Halle zu räumen. Schon der 2010 verstorbene Vater der Erstklägerin habe diese Inanspruchnahme der Wohnung untersagt.
Versicherungsfall vor Vertragsabschluss eingetreten
Nun ging es aber um einen anderen Rechtsstreit, nämlich jenem zwischen den beklagten Versicherungsnehmern und dem Rechtsschutzversicherer. Letzterer lehnte nämlich die Deckung für den Passivprozess ab, weil der Versicherungsfall bereits vor Versicherungsbeginn eingetreten sei. Dem hielten die Kläger entgegen, dass die Frage der Vorvertraglichkeit nur nach ihrem Vorbringen zu beurteilen sei. Die Deckung habe nicht unter Hinweis auf eine bloße – von den Versicherten bestrittene und durch nichts bewiesene – Prozessbehauptung der Gegenseite abgelehnt werden dürfen.
Dazu ein Blick in die ARB: Laut Artikel 2 gilt der Versicherungsfall zu dem Zeitpunkt als eingetreten, „in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen“. Bei mehreren Verstößen sei der erste, daäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben.
Verbleib der Kläger jahrelang geduldet
Das Erstgericht gab der Klage statt. Seit den Aufforderungen des Vaters im Jahr 2010 liege kein Dauerverstoß vor, weil nach dem Vorbringen in der Räumungsklage weder seitens des Vaters noch später seitens der Mutter weitere Aufforderungen oder ein gerichtliches Vorgehen gefolgt seien. Vielmehr sei der Verbleib der Kläger jahrelang geduldet worden. Damit zeige die Einbringung der Räumungsklage im Juni 2015 den ersten adäquat ursächlichen Verstoß im Sinn des Art 2.3. ARB 2011 an.
Das Berufungsgericht war anderer Ansicht. Maßgeblich für den Beginn des (angeblichen) Verstoßes seien allein die Behauptungen im Ausgangsverfahren. Darauf abstellend liege ein – die Jahresfrist laut ARt 2.3. ARB 2011 ausschließender – Dauerverstoß vor, weil die Kläger die Räumungsverpflichtung bestreiten und die Räumung beharrlich verweigern würden. Zwar komme es nicht auf die Räumungsaufforderungen des Vaters an, da nicht er, sondern der Kläger im Ausgangsverfahren vom Verstoß betroffen sei. Er sei jedoch bereits 2012 und damit vor Versicherungsbeginn Eigentümer der Liegenschaft geworden.
OGH: Zeitpunkt der Klage entscheidend
Der OGH (7 Ob 127/16a) bejahte – wie bereits das Berufungsgericht – die Vorvertraglichkeit. Das von einem Versicherungsnehmer in einem von ihm geführten Passivprozess bestrittene Klagsvorbringen sei in der Rechtsschutzversicherung für die Beurteilung, wann der Versicherungsfall nach Art 2.3. ARB 2011 eingetreten ist, heranzuziehen. Nach diesem liegt ein Dauerverstoß vor, der vor Vertragsbeginn eingesetzt hatte.