Produkthaftpflicht: Wann liegt ein Serienschaden vor?
Schäden an mehreren Steinplatten führen zu Unstimmigkeiten zwischen einem Betrieb und seiner Versicherung. Konkret geht es um die Frage, ob bei mehreren fehlerhaften Lieferchargen ein Serienschaden vorliegt. Die Rechtsservice- und Schichtungsstelle im Fachverband der Versicherungsmakler (RSS) befasst sich mit den Details.
Ein Betrieb verkaufte zwischen 2009 und 2011 Steinplatten eines bestimmten Modells. Bei einigen der Steinplatten traten im Winter Sprünge und Abplatzungen auf, wobei das Schadensbild in allen Fällen gleich war. Die Steine waren vom Hersteller aus insgesamt 64 Lieferchargen an mehrere Händler und Wiederverkäufer geliefert und von unterschiedlichen Verlegern verlegt worden.
Der Betrieb meldete den Schaden der Versicherung, bei der er eine Betriebshaftpflichtversicherung samt erweiterter Produkthaftpflicht abgeschlossen hatte. Diese sagte die Deckung bis zur Versicherungssumme der erweiterten Produktehaftpflicht von 100.000 Euro zu, da ein Serienschaden vorliege. Grund: Die Steinplatten der Marke „Siena“ stammen zwar aus unterschiedlichen Chargen, weisen aber alle denselben Fehler auf, nämlich, dass diese Natursteine keine ausreichende Frostsicherheit aufweisen. „Der zeitliche Zusammenhang hat nur dann Auswirkungen auf die Deckung, wenn die Schäden nicht während der Wirksamkeit der Versicherung erfolgen. Dies ist hier nicht der Fall.“
In weiterer Folge sagte die Versicherung eine Entschädigung von 200.000 Euro, das heißt für zwei Serienschäden, zu. Der Betrieb forderte jedoch die Deckung der gesamten Schäden von 320.000 Euro – und beantragte per Schlichtungsantrag an die RSS, dies dem Versicherer zu empfehlen.
Das sagen die Bedingungen
Liegt hier nun ein Serienschaden vor oder nicht? Um das zu beantworten, ist zunächst ein Blick auf die Versicherungsbedingungen zu werfen. In Artikel 1 der AHVB/EHVB 2003 ist ein „Serienschaden“ dahingehend definiert, dass als Versicherungsfall mehrere Schadenereignisse gelten, die auf derselben Ursache beruhen oder auf gleichartigen Ursachen, wenn zwischen diesen ein rechtlicher, wirtschaftlicher oder technischer Zusammenhang besteht. In Artikel Artikel 4.2.4 der EHVB heißt es: Abweichend von Art. 1, Pkt. 1.2 AHVB gelten mehrere Lieferungen als ein Versicherungsfall, wenn sie Schäden aus derselben Ursache auslösen oder aus gleichartigen Ursachen, sofern zwischen diesen ein rechtlicher, wirtschaftlicher oder technischer Zusammenhang besteht.“
Sind die Ursachen dieselben oder nur gleichartige?
Die entscheidende Frage lautet nun: Beruhen die Schäden auf derselben Ursache? Und wenn nicht, handelt es sich zumindest um gleichartige Ursachen, zwischen denen ein Zusammenhang besteht? Ob ein Serienschaden vorliegt, hat grundsätzlich der Versicherer zu beweisen – in diesem Fall tat er das anhand eines Sachverständigengutachtens. Ob dieses Gutachten richtig ist, sei laut RSS nur in einem streitigen Verfahren zu beantworten. „Dabei wird zu prüfen sein, ob trotz der Lieferung durch den Hersteller an die Antragstellerin in 64 Chargen dieselbe Ursache für die mangelnde Frostbeständigkeit der Platten vorliegt bzw. ob es sich ‚nur‘ um eine gleichartige Ursache handelt.“ Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn der Hersteller andere Herstellungsmethoden verwendet, die ebenfalls nicht zum gewünschten Erfolg führen.
Kommt man zum Ergebnis, dass es sich um gleichartige Ursachen handelt, sei neben dem rechtlichen, wirtschaftlichen oder technischen Zusammenhang auch ein zeitlicher Zusammenhang zu prüfen, wobei dieser nach den lebensnahen Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bewerten sei.
Verkäufer hätte gleichartige Schäden erst später erkennen können
In diesem Fall wäre der zeitliche Zusammenhang nach Ansicht der Schlichtungskommission zwischen den Lieferungen eines Jahres und den in der darauffolgenden Kälteperiode eintretenden Schäden gegeben.“ Da derartige Schäden nach der allgemeinen Lebenserfahrung in der Regel im Winter gehäuft auftreten, hätte der Versicherungsnehmer diese Schäden erst danach als auf einer gleichartigen Ursache beruhend erfassen und beim Lieferanten für die Abwendung von Schäden bei weiteren Lieferungen sorgen können. Dadurch könnte aber der zeitliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Serienschäden unterbrochen werden.“ Aber auch dies sei eine im streitigen Verfahren zu lösende Beweisfrage. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.